Stehen Rekrutierungsmaßnahmen in Vietnam kritisch gegenüber. Pflegemodelle für Familien zuerst ausbauen.

Die Stadt Innsbruck plant, eine Delegation nach Vietnam zu entsenden, um vor Ort Beziehungen zu Ausbildungsstätten und potenziellen Kooperationspartnern aufzubauen. Ziel der Reise ist es, qualifizierte Pflegekräfte aus Vietnam zu rekrutieren, um den steigenden Bedarf an Pflegekräften in Innsbruck zu decken. Das Neue Innsbruck begrüßt grundsätzlich alle Maßnahmen, die dazu beitragen, die Pflege für bedürftige Menschen sicherzustellen. Die Entscheidung, nun verstärkt auf Arbeitskräfte aus Fernost zu setzen, stößt jedoch auf Unverständnis.


„Es ist unbestritten, dass die Sicherstellung der Pflege eine unserer größten Herausforderungen ist. Bereits in der Vergangenheit wurden Hilfskräfte aus europäischen Ländern nach Österreich geholt und in der Pflege eingesetzt. Dass diese Arbeitskräfte in ihren Heimatländern ebenfalls fehlen, wurde dabei stets verschwiegen. Zumindest hatten sie die Möglichkeit, regelmäßig nach Hause zu fahren und den Kontakt zu ihren Familien aufrechtzuerhalten. Wie ein solches Modell mit Vietnam funktionieren soll, ist mir schleierhaft“, erklärt Stadtrat Mag. Markus Stoll von Das Neue Innsbruck.

Moderner Kolonialismus

„Die geplante Delegation und die damit verbundene Rekrutierung von Arbeitskräften aus Drittstaaten stellen in unseren Augen eine Form des modernen Kolonialismus dar. Anstatt Pflegekräfte aus Ländern wie Vietnam abzuwerben, sollte die Stadt Innsbruck in Zusammenarbeit dem Land Tirol vielmehr Maßnahmen ergreifen, die Pflege im familiären Umfeld zu erleichtern. Es ist notwendig, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Pflege innerhalb der Familie möglich ist, ohne dass die pflegenden Angehörigen dabei erhebliche finanzielle Nachteile in Kauf nehmen müssen, sei es durch Einkommenseinbußen oder eine geringere Altersversorgung“, betont Stoll.

Ein Bündel an Maßnahmen ist erforderlich

„Es gibt nicht nur eine Lösung für das Pflegeproblem. Natürlich müssen Initiativen wie die Pflegelehre und die Attraktivierung von Pflegeberufen weiter vorangetrieben werden. Auch wird man weiterhin auf Mitarbeiter aus dem Ausland angewiesen sein. Als eine Gruppierung mit christlich-sozialen Werten muss für uns die Unterstützung von Familien jedoch oberste Priorität haben, denn Pflege im Familienverband bleibt die menschlichste Lösung. Es gilt also an mehreren Stellschrauben zu drehen. Ob die Reise nach Vietnam das Pflegeproblem in der Stadt Innsbruck allein lösen kann, wage ich stark zu bezweifeln“, so Stoll.

Beschluss wurde mit Gegenstimmen mehrheitlich gefasst

„Die offenbar bereits gebuchte Reise wurde schlussendlich mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gefasst. Ein angedachtes Minderheitenvotum von Das Neue Innsbruck und FPÖ hätte dazu geführt, dass die Vietnam-Reise dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorgelegt werden hätte müssen. Es herrschte große Aufregung. Schließlich nahm man vom Instrument des Minderheitenvotums Abstand, forderte aber ein, dass zumindest ein politischer Vertreter an der Reise teilnehmen sollte. Hier wäre wohl Vizebürgermeister Willi als zuständiger Ressortführender für Pflege und Außenbeziehungen prädestiniert“, schließt Stoll.